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Donnerstag, 8. Juni 2023
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Das bekannte Wohnviertel im Winterthurer Osten wird nicht Unesco-Weltkulturerbe. Das war ein Aprilscherz. Wobei das auch nicht ganz sicher ist.
Architektur Der Historiker Miguel García hat sich auf die Winterthurer Geschichte spezialisiert. So hat er unter anderem ein Kapitel in der neuesten Biografie des Industriellen Hans Sulzer geschrieben. Er ist zudem Co-Autor der Broschüre «Utopie und Urbanität», die sich aus der Sicht des Heimatschutzes mit dem Stadtviertel Gutschick befasst. Garcia lacht und sagt: «Ja tatsächlich habe ich bei einem Aprilscherz des ‹Landboten› mitgemacht.» Die Tageszeitung berichtete, die Unesco habe das Stadtviertel zum Kulturerbe der Menschheit erklärt. Dieser Aprilscherz ist allerdings eher übertrieben als falsch.
Eine einstöckige Zeile mit Läden, dahinter zwei Wohntürme. Sie sind nicht wirklich hoch. Doch im Jahr 1963, als sie fertig wurden, gehörten sie zu den höchsten Gebäuden der Stadt. «Winterthur stritt heftig über Hochhäuser», sagt García. Sie würden nicht zur Stadt passen. Tatsächlich war Winterthur in den 1920er-Jahren als Gartenstadt mit niedrigen Bauten und vielen Reihenhäusern geplant worden. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch wuchsen Wirtschaft und Bevölkerung der Stadt unerwartet schnell. 1950 zählte Winterthur 66 000 Einwohner, 1970 waren es 94 000. Mit der herkömmlichen Bauweise konnte der Wohnungsbau nicht mehr mithalten. «Was heisst eigentlich Gartenstadt? Das Gutschickviertel war eine Weiterentwicklung der Idee», sagt García: «Neu plante man Gebäude mit einer Vielzahl Wohnungen auf parkähnlichen Grünflächen.»
Der Gebäudekomplex mit der Ladenzeile war die erste Etappe der Überbauung im Gutschick. Die ersten Pläne dazu waren als eintönig kritisiert worden. Auf dem nächsten Baufeld sollte deshalb etwas ganz Besonderes entstehen, die Siedlung Grüzefeld. Zu deren Bau gründete die Stadt eigens ein Baukonsortium. Drei Genossenschaften schlossen sich an. Für die neue Überbauung gab es zum ersten Mal in Winterthur einen städtebaulichen Wettbewerb. Dessen Jury dankte der Stadt Winterthur ausdrücklich dafür. Sie nannte das ausgewählte Projekt einen Lösungsansatz für den Wohnungsbau in der ganzen Schweiz.
Das Siegerprojekt stammte von Cramer Jaray Paillard. Das Architekturbüro hatte zuvor das Stadttheater St. Gallen verwirklicht. Es ist heute eine Architektur-Ikone.
Nur schon die Pläne für die neue Siedlung lösen Erstaunen aus. Im Mittelpunkt stehen dreiflüglige, stark gegliederte Häuserketten von enormem Ausmass. Die Geschosszahl reichte von zweistöckigen Reihenhäusern bis hin zu zehn Stockwerken – dies in ein und demselben Gebäudekomplex. Um diese komplexe Gebäudestruktur technisch und finanziell zu bewältigen, griff man zu einer neuen Technik: dem industriellen Wohnbau mit vorgefertigten Betonplatten. Mit dieser Bauweise zogen die Baufirmen in zwei Jahren die ganze Siedlung hoch. Sie stellten an jedem Arbeitstag eine Wohnung fertig. 1967 waren 370 Wohneinheiten bezugsbereit.
Mit dem hellen Sichtbeton, mit plastisch wirkenden Fassadenelementen und einer ausgeklügelten Anordnung der Fenster wirkte die Siedlung wie eine grosse Kunstplastik. Die Gestaltung des Gartens nahm mit Betonelementen Bezug auf die Hochbauten. Inzwischen ist die Überbauung Grüzefeld vom Kanton als schützenswertes Gebäude von überregionaler Bedeutung katalogisiert. Trotzdem wurde die ursprüngliche Gestalt der Siedlung durch eine Renovierung 1993 verunstaltet. Man mauerte Balkone zu und überzog die Fassaden mit schäbigen Eternitschindeln. So bleibt nur die Hoffnung auf eine Reparatur. Damit bekäme Winterthur ein Kulturerbe ersten Ranges zurück, auch ohne Unesco.
Christian Felix
Das bekannte Wohnviertel im Winterthurer Osten wird nicht Unesco-Weltkulturerbe. Das war ein Aprilscherz. Wobei das auch nicht ganz sicher ist.
Architektur Der Historiker Miguel García hat sich auf die Winterthurer Geschichte spezialisiert. So hat er unter anderem ein Kapitel in der neuesten Biografie des Industriellen Hans Sulzer geschrieben. Er ist zudem Co-Autor der Broschüre «Utopie und Urbanität», die sich aus der Sicht des Heimatschutzes mit dem Stadtviertel Gutschick befasst. Garcia lacht und sagt: «Ja tatsächlich habe ich bei einem Aprilscherz des ‹Landboten› mitgemacht.» Die Tageszeitung berichtete, die Unesco habe das Stadtviertel zum Kulturerbe der Menschheit erklärt. Dieser Aprilscherz ist allerdings eher übertrieben als falsch.
Eine einstöckige Zeile mit Läden, dahinter zwei Wohntürme. Sie sind nicht wirklich hoch. Doch im Jahr 1963, als sie fertig wurden, gehörten sie zu den höchsten Gebäuden der Stadt. «Winterthur stritt heftig über Hochhäuser», sagt García. Sie würden nicht zur Stadt passen. Tatsächlich war Winterthur in den 1920er-Jahren als Gartenstadt mit niedrigen Bauten und vielen Reihenhäusern geplant worden. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch wuchsen Wirtschaft und Bevölkerung der Stadt unerwartet schnell. 1950 zählte Winterthur 66 000 Einwohner, 1970 waren es 94 000. Mit der herkömmlichen Bauweise konnte der Wohnungsbau nicht mehr mithalten. «Was heisst eigentlich Gartenstadt? Das Gutschickviertel war eine Weiterentwicklung der Idee», sagt García: «Neu plante man Gebäude mit einer Vielzahl Wohnungen auf parkähnlichen Grünflächen.»
Der Gebäudekomplex mit der Ladenzeile war die erste Etappe der Überbauung im Gutschick. Die ersten Pläne dazu waren als eintönig kritisiert worden. Auf dem nächsten Baufeld sollte deshalb etwas ganz Besonderes entstehen, die Siedlung Grüzefeld. Zu deren Bau gründete die Stadt eigens ein Baukonsortium. Drei Genossenschaften schlossen sich an. Für die neue Überbauung gab es zum ersten Mal in Winterthur einen städtebaulichen Wettbewerb. Dessen Jury dankte der Stadt Winterthur ausdrücklich dafür. Sie nannte das ausgewählte Projekt einen Lösungsansatz für den Wohnungsbau in der ganzen Schweiz.
Das Siegerprojekt stammte von Cramer Jaray Paillard. Das Architekturbüro hatte zuvor das Stadttheater St. Gallen verwirklicht. Es ist heute eine Architektur-Ikone.
Nur schon die Pläne für die neue Siedlung lösen Erstaunen aus. Im Mittelpunkt stehen dreiflüglige, stark gegliederte Häuserketten von enormem Ausmass. Die Geschosszahl reichte von zweistöckigen Reihenhäusern bis hin zu zehn Stockwerken – dies in ein und demselben Gebäudekomplex. Um diese komplexe Gebäudestruktur technisch und finanziell zu bewältigen, griff man zu einer neuen Technik: dem industriellen Wohnbau mit vorgefertigten Betonplatten. Mit dieser Bauweise zogen die Baufirmen in zwei Jahren die ganze Siedlung hoch. Sie stellten an jedem Arbeitstag eine Wohnung fertig. 1967 waren 370 Wohneinheiten bezugsbereit.
Mit dem hellen Sichtbeton, mit plastisch wirkenden Fassadenelementen und einer ausgeklügelten Anordnung der Fenster wirkte die Siedlung wie eine grosse Kunstplastik. Die Gestaltung des Gartens nahm mit Betonelementen Bezug auf die Hochbauten. Inzwischen ist die Überbauung Grüzefeld vom Kanton als schützenswertes Gebäude von überregionaler Bedeutung katalogisiert. Trotzdem wurde die ursprüngliche Gestalt der Siedlung durch eine Renovierung 1993 verunstaltet. Man mauerte Balkone zu und überzog die Fassaden mit schäbigen Eternitschindeln. So bleibt nur die Hoffnung auf eine Reparatur. Damit bekäme Winterthur ein Kulturerbe ersten Ranges zurück, auch ohne Unesco.
Christian Felix
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