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Mittwoch, 22. März 2023
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Dass die Fussballspiele des FC Winterthur ein grosses Erlebnis sind, wusste ich schon lange. Nun habe ich es selbst erlebt. Als absoluter Fussball-Laie besuchte ich kürzlich zum ersten Mal einen Match des FCW. Was für ein Spiel, was für eine... weiterlesen
TV:«Fussball-EM-Qualifikation Weissrussland – Schweiz» Nach der aus Schweizer Sicht mässigen Fussball-WM im letzten Jahr steht für unsere Nati nun die Qualifikation für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland an. Der erste Gegner für die... weiterlesen
Ich überlege, wie ich es diplomatisch formulieren kann. Aber wieso Diplomatie walten lassen, wenn man einfach sagen kann, wie es ist? Das SRF hats verspielt. In Sachen Comedy zumindest. Nachdem Dominic Deville im November 22 bekannt gab, dass.. weiterlesen
Marcella Berardi liebt ihren Beruf als Lastwagenfahrerin und schätzt die geregelte Arbeitsweise in der Schweiz. Bild: Christian Felix
Sie ist eine zierliche Person, hat aber die grossen Brummer im Griff: Eine Lastwagenfahrerin, die vom Mann in Kalabrien zur Frau in Winterthur wurde.
Beruf Marcella Berardi ist klein. Wenn sie vor ihrem Laster steht, reicht ihr Kopf gerade bis zum Mercedesstern auf der Kühlerhaube. Das 40 Tonnen schwere Gefährt beherrscht sie trotzdem. Hinter der Windschutzscheibe prangt auf einem Schild gross ihr Name: Marcella. Sie stammt aus Rossana, Kalabrien. Nach der Schule bildete sich Marcello zum Vermessungstechniker aus. Richtig: Damals war die Lastwagendame noch ein junger Mann. Er lernte Vermessungstechniker. Doch der Beruf langweilte ihn. «Ich bin nicht gemacht fürs Büro», sagt sie heute. Vater Berardi war ebenfalls Lastwagenfahrer und riet seinem Sohn, in einer Kiesgrube die Transporter zu steuern. Mit 19, ohne Führerausweis. Viva Italia.
Damals, in den 1970ern, wanderten viele Bewohner Rossanas aus, einige davon offenbar nach Winterthur. «Die Auswanderer wiederholten stets, wie schön die Schweiz sei», sagt Marcella. Sie zögerte. «Ich dachte, ich sollte eine normale Familie gründen: Aber wozu? Für wen? Wäre ich so glücklicher geworden?»
1994 kam sie zum ersten Mal nach Winterthur. Sie blieb drei Monate. Danach wuchs ein Traum in ihr. Marcella sagt: «Ich wollte in der Schweiz leben, ich wollte als Lastwagenfahrerin arbeiten und ich wünschte mir einen Jeep.» Dieser dreifache Traum hat sich für Marcella verwirklicht. Stolz zeigt sie ein Bild ihres Jeeps.
Erneut in die Schweiz gekommen ist sie 2002, nach Winterthur, für sechs Monate. «Daraus sind zwanzig Jahre geworden.» Einen anderen Wunsch erwähnt sie nicht. In der Schweiz hatte sie auch die Möglichkeit, ihre wahre Identität zu leben. Aus Marcello wurde Marcella. Und inzwischen eine professionelle Lastwagenfahrerin: «Ich fahre mit allen Typen, mit normalem Kastenaufsatz, mit Transportmulde, mit Silos, Farbmischern.»
Am liebsten liefert Marcella Baumaterialien. «Beim Bauen wird etwas erschaffen. Mit meiner Lieferung trage ich dazu bei. Wenn ich später einmal am Bau vorbeifahre, freue ich mich und denke, dass ich daran beteiligt war.» Im Bauwesen hat sich Marcella zur Spezialistin entwickelt. Sie liefert Fahrbahnbeläge für Tunnels: «Ich war in Göschenen, ich war im Sustenpass, ich war in der dritten Röhre am Gubrist.» Zuweilen muss Marcella beim Abladen bis auf zwanzig Zentimeter an die Tunnelwand heranfahren. Das ist Präzisionsarbeit am Steuer.
Sie hat geschickte Hände, mit violetten Gel Nails geschmückt, Hände auch, die sprechen. Sie entschuldigt sich, dass sie als Italienerin wild gestikuliert. Marcella wirkt quirlig wie Quecksilber, erzählt Geschichten, Anekdoten, so wie sie einmal mitten in Basel einen Laster mit grosser Stahlmulde wenden musste oder davon wie der Disponent der Firma einen ganzen Tross Laster in den Kanton Bern schickte, an einen Ort, den niemand kannte. «Marcella, du fährst voraus», sagte der Disponent. Sie: «Aber wenn ich mich verfahre, fahren mir alle nach!» Disponent: «Marcella, du fährst voraus!» Sie kennt sich aus auf Schweizer Strassen. «Du bist besser als das GPS», sagte ihr einmal ein Kollege. Marcellas Arbeitsgebiet umfasst den Grossraum Zürich und die ganze Deutschschweiz.
So lebendig sie auch auftritt – Marcella wirkt innerlich geerdet und sicher. Auch wenn sie von ihrer Stellung als Transfrau in der Welt Lastwagenfahrern erzählt.
Vor allem Fahrer aus südlichen Ländern wie Portugal, Italien oder Kosovo fragen Marcella oft, ob sie nun ein Mann oder eine Frau sei. Sie bekommen eine klare Antwort: «Sono Marcella – ich bin Marcella.» Einmal hatte sie eine Auseinandersetzung mit einem Baggerfahrer aus Italien. Marcellas simple Ansage wollte ihm absolut nicht in den Kopf. Der Mann bestand darauf, über Marcella als «er» zu sprechen. Sie wehrte sich. Die Transportfirma unterstützte sie. Der Baggerfahrer bekam eine Verwarnung.
Marcella lobt die Firma, für die sie arbeitet. «Bei uns zählt die Leistung, egal wer sie erbringt, ob Frau oder Mann, Italiener oder Schweizer. Darum liebe ich die Schweiz.» Auch dafür, dass die Arbeitszeiten eingehalten werden. Lastwagenfahrer dürfen je nach Wocheneinteilung nur acht oder neun Stunden fahren. Dazwischen sind Ruhezeiten vorgeschrieben. Um das zu kontrollieren gibt es die Fahrtenschreiber. «Bei einem Rückkehrversuch nach Italien zwang ein Unternehmer Marcella, nach der Fahrzeit mit dem Lastwagen in einem Lieferwagen weiterzuarbeiten. In diesem Fahrzeug gab es keinen Fahrtenschreiber. «Ich schlief ein und baute einen Unfall.»
Marcella stellt fest, dass es immer mehr Frauen gibt im Transportgewerbe. «Aber noch nicht so viele, dass ich spontan einmal einer unterwegs begegnen würde», sagt sie. «Überhaupt ist man in der Führerkabine allein.» – Heute hat Marcella frei. Sie muss zur Kosmetikerin. «Früher habe ich mich bei einem solchen Termin besonders weiblich gegeben. Jetzt ist mir das egal. Ich bin einfach Marcella.»
Christian Felix
Marcella Berardi liebt ihren Beruf als Lastwagenfahrerin und schätzt die geregelte Arbeitsweise in der Schweiz. Bild: Christian Felix
Sie ist eine zierliche Person, hat aber die grossen Brummer im Griff: Eine Lastwagenfahrerin, die vom Mann in Kalabrien zur Frau in Winterthur wurde.
Beruf Marcella Berardi ist klein. Wenn sie vor ihrem Laster steht, reicht ihr Kopf gerade bis zum Mercedesstern auf der Kühlerhaube. Das 40 Tonnen schwere Gefährt beherrscht sie trotzdem. Hinter der Windschutzscheibe prangt auf einem Schild gross ihr Name: Marcella. Sie stammt aus Rossana, Kalabrien. Nach der Schule bildete sich Marcello zum Vermessungstechniker aus. Richtig: Damals war die Lastwagendame noch ein junger Mann. Er lernte Vermessungstechniker. Doch der Beruf langweilte ihn. «Ich bin nicht gemacht fürs Büro», sagt sie heute. Vater Berardi war ebenfalls Lastwagenfahrer und riet seinem Sohn, in einer Kiesgrube die Transporter zu steuern. Mit 19, ohne Führerausweis. Viva Italia.
Damals, in den 1970ern, wanderten viele Bewohner Rossanas aus, einige davon offenbar nach Winterthur. «Die Auswanderer wiederholten stets, wie schön die Schweiz sei», sagt Marcella. Sie zögerte. «Ich dachte, ich sollte eine normale Familie gründen: Aber wozu? Für wen? Wäre ich so glücklicher geworden?»
1994 kam sie zum ersten Mal nach Winterthur. Sie blieb drei Monate. Danach wuchs ein Traum in ihr. Marcella sagt: «Ich wollte in der Schweiz leben, ich wollte als Lastwagenfahrerin arbeiten und ich wünschte mir einen Jeep.» Dieser dreifache Traum hat sich für Marcella verwirklicht. Stolz zeigt sie ein Bild ihres Jeeps.
Erneut in die Schweiz gekommen ist sie 2002, nach Winterthur, für sechs Monate. «Daraus sind zwanzig Jahre geworden.» Einen anderen Wunsch erwähnt sie nicht. In der Schweiz hatte sie auch die Möglichkeit, ihre wahre Identität zu leben. Aus Marcello wurde Marcella. Und inzwischen eine professionelle Lastwagenfahrerin: «Ich fahre mit allen Typen, mit normalem Kastenaufsatz, mit Transportmulde, mit Silos, Farbmischern.»
Am liebsten liefert Marcella Baumaterialien. «Beim Bauen wird etwas erschaffen. Mit meiner Lieferung trage ich dazu bei. Wenn ich später einmal am Bau vorbeifahre, freue ich mich und denke, dass ich daran beteiligt war.» Im Bauwesen hat sich Marcella zur Spezialistin entwickelt. Sie liefert Fahrbahnbeläge für Tunnels: «Ich war in Göschenen, ich war im Sustenpass, ich war in der dritten Röhre am Gubrist.» Zuweilen muss Marcella beim Abladen bis auf zwanzig Zentimeter an die Tunnelwand heranfahren. Das ist Präzisionsarbeit am Steuer.
Sie hat geschickte Hände, mit violetten Gel Nails geschmückt, Hände auch, die sprechen. Sie entschuldigt sich, dass sie als Italienerin wild gestikuliert. Marcella wirkt quirlig wie Quecksilber, erzählt Geschichten, Anekdoten, so wie sie einmal mitten in Basel einen Laster mit grosser Stahlmulde wenden musste oder davon wie der Disponent der Firma einen ganzen Tross Laster in den Kanton Bern schickte, an einen Ort, den niemand kannte. «Marcella, du fährst voraus», sagte der Disponent. Sie: «Aber wenn ich mich verfahre, fahren mir alle nach!» Disponent: «Marcella, du fährst voraus!» Sie kennt sich aus auf Schweizer Strassen. «Du bist besser als das GPS», sagte ihr einmal ein Kollege. Marcellas Arbeitsgebiet umfasst den Grossraum Zürich und die ganze Deutschschweiz.
So lebendig sie auch auftritt – Marcella wirkt innerlich geerdet und sicher. Auch wenn sie von ihrer Stellung als Transfrau in der Welt Lastwagenfahrern erzählt.
Vor allem Fahrer aus südlichen Ländern wie Portugal, Italien oder Kosovo fragen Marcella oft, ob sie nun ein Mann oder eine Frau sei. Sie bekommen eine klare Antwort: «Sono Marcella – ich bin Marcella.» Einmal hatte sie eine Auseinandersetzung mit einem Baggerfahrer aus Italien. Marcellas simple Ansage wollte ihm absolut nicht in den Kopf. Der Mann bestand darauf, über Marcella als «er» zu sprechen. Sie wehrte sich. Die Transportfirma unterstützte sie. Der Baggerfahrer bekam eine Verwarnung.
Marcella lobt die Firma, für die sie arbeitet. «Bei uns zählt die Leistung, egal wer sie erbringt, ob Frau oder Mann, Italiener oder Schweizer. Darum liebe ich die Schweiz.» Auch dafür, dass die Arbeitszeiten eingehalten werden. Lastwagenfahrer dürfen je nach Wocheneinteilung nur acht oder neun Stunden fahren. Dazwischen sind Ruhezeiten vorgeschrieben. Um das zu kontrollieren gibt es die Fahrtenschreiber. «Bei einem Rückkehrversuch nach Italien zwang ein Unternehmer Marcella, nach der Fahrzeit mit dem Lastwagen in einem Lieferwagen weiterzuarbeiten. In diesem Fahrzeug gab es keinen Fahrtenschreiber. «Ich schlief ein und baute einen Unfall.»
Marcella stellt fest, dass es immer mehr Frauen gibt im Transportgewerbe. «Aber noch nicht so viele, dass ich spontan einmal einer unterwegs begegnen würde», sagt sie. «Überhaupt ist man in der Führerkabine allein.» – Heute hat Marcella frei. Sie muss zur Kosmetikerin. «Früher habe ich mich bei einem solchen Termin besonders weiblich gegeben. Jetzt ist mir das egal. Ich bin einfach Marcella.»
Christian Felix
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